Da ist ein Kind ertrunken …

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… das sagt ein Kapitän zu einem jungen Maat.

Sie patrouillieren auf einem Segelboot der Nordischen Union
und sehen zu, dass niemand reinkommt, der nicht darf.

Jetzt hab‘ ich dich erwischt, nicht wahr?
Du denkst doch wohl, es handle sich ums Mittelmeer!
Du glaubst, ich bind dir olle Stories auf,
von Krieg und auch von Refugees, die nicht willkommen waren in Europa. 

Da liegst du aber falsch!
Das Meer, von dem ich rede, ist die Nordsee.
Und das Jahr, das wir grad schreiben, ist nicht 2020, sondern später!

Was ist denn nur passiert? 

Das Mittelmeer: es stinkt vom Abfall, den man reingekippt.
Sizilien: ist eine Wüste.
Italien: auch. 
Und unterhalb der Donau: da kann kein Mensch mehr leben.
Die Leute sind gestorben wie die Fliegen.

Und Deutschland?

Ach, du liebe Güte! 
Nachdem man keinen mehr ins Land gelassen, sich abgeschottet, alle ausgesperrt,
nachdem der Winterschnee auf Jahre ferngeblieben, und auch der Sommerregen,
nachdem ein Sturm und viele weit’re über München, Köln, Berlin hinweggefegt,
da machten sich die Menschen auf den Weg – mit Hunger und mit Durst im Bauch – nach Norden. 

Und was machten sie? Die Norweger, Schweden und die Dänen?

Was glaubst du wohl? 
Natürlich machten sie dann dicht! 
Man kann nicht aller Welt Asyl gewähren!
Man muss auch einmal „Ende“ sagen können!

„Da schau!“, ruft jetzt der junge Maat auf dem Patrouillenboot.

„Das Kind! Es hat versucht, sich festzuhalten an einem blauen Plastikreif!“
„Mir tut es leid, das Kleine“, meint er auch und reibt sich seine Augen und fragt sich, ob das Ding, das dort im Meer schwankt, ein Junge oder ein Mädchen war.

„Du musst die Sentimentalitäten fahren lassen!“, sagt da ein anderer.

„Die haben Geld gescheffelt, als klar war, dass es bald nichts mehr zum scheffeln gab.
Die haben weiter gemacht, als es dem Ende zuging.
Die haben Autos gebaut, Flugzeuge gebaut, Tierfabriken gebaut.
Öl verbrannt, Kohle verbrannt, Müll verbrannt, Plastik verbrannt, Wälder verbrannt.
Wasser verseucht, Erde verseucht, Tiere verseucht, Menschen verseucht.
Ich sage dir, mit denen ist nichts anzufangen. Die haben’s nicht gelernt und werden’s auch nicht lernen!“ 

„Das Thema macht mich müde!“, sagt der Kapitän.

„Man muss es nicht zu Tode reden.
Es kommt die Zeit, da kann man’s nicht mehr hören!“
Er geht zu Bett.
Er denkt nicht mehr ans Meer und an den kleinen Körper in der Ferne, der schaukelt und bald untergeht.

„Da ist ein Kind ertrunken!“

„Stimmt. Und wir im Norden haben’s gut, doch leider keinen Platz!“

Der Maat – er schaut aufs Meer, ein letztes Mal,
und murmelt dann: „Er tut mir leid, der kleine, blonde Spatz.“